Was ist eigentlich lokales Ausdauertraining?
Du fragst Dich bestimmt gleich, was ist denn nun schon wieder lokales Ausdauertraining? Und Du hast bestimmt noch nichts darüber gehört. Wenn doch, dann beglückwünsche ich Dich. Aber ich gehe mal davon aus, Du weißt noch nichts darüber, oder Du möchtest mehr erfahren. Lokale Ausdauer wird nicht in einem Lokal ausgeübt. Und auch nicht lokal also örtlich begrenzt in bestimmten Regionen. Lokal heißt hier örtlich spezifisch irgendwo in Deinem Körper.
Lokales Ausdauertraining ist, wenn Du nicht mehr als 15 % Deiner Muskulatur arbeiten lässt. Das sind maximal 1/7 Deiner Skelettmuskulatur. Oder umgekehrt ausgedrückt: Du bewegst Muskulatur ausdauernd. Aber es sind so wenig Fasern beteiligt, dass ein allgemeiner Effekt ausbleibt, also ohne, dass Dein Kreislauf gefordert wird.
Je nachdem, wie stark die Belastung ist, trainierst Du noch mit Sauerstoffverbrennung (aerob) oder mit Laktatbildung (anaerob). Die Schwelle liegt so bei etwa 70% (unterschiedlich je nach Muskel). Wobei es eigentlich gar keine Ausdauer mehr ist, wenn Du anaerob arbeitest[1]Relationship between the Relative and Absolute Isometric Endurance of an Isolated Muscle Group (K. B. Start &J. S. Graham) Pages 193-204 17 Mar 2013.
Wichtig für Dich: Den Muskel langsam ermüden, also nicht zu viel Kraftanteil dabei haben.
Zum Ersten hast Du dann keinen Ausdauereffekt und zum Zweiten ist der Effekt beim Krafttraining auch eher mindernd für die Ausdauer[2]Effects of Three Resistance Training Programs on Muscular Strength And Absolute and Relative Endurance (Tim Anderson &Jay T. Kearney) Pages 1-7 11 Aug 1981.
Arbeitet Dein Muskel dabei in Bewegung, dann ist das dynamische Ausdauer. Hältst Du nur ohne zu bewegen gegen einen Widerstand, dann ist das statische Ausdauer. Wobei auch die statische Ausdauer für Alltags- und Gebrauchsbewegungen durchaus sinnvoll sein kann. Wir müssen dabei nur wissen, dass der Muskel in seinem Längenzustand unterschiedlich viel Kraft erzeugen kann. Im Durchschnitt liegt die maximal Kraftausbeute in der Mitte zwischen der maximalen Länge und der maximalen Kürze.
Wieso sagen einige auch peripheres Ausdauertraining?
Ganz einfach: Die meisten Muskeln, die weniger als 1/7 der Körpermuskulatur mit Sicherheit ausmachen liegen genau dort, in der Peripherie. Also das ist schon mal ein guter Ausgangspunkt für Dich. Warum? Weil die Peripherie ein wichtiger Bereich für den Blutdruck ist. Und somit für Deine Herzbelastung. Öffnen wir die periphere Durchblutung senkt sich der Widerstand. Das Herz pumpt leichter. Und es wird zudem besser gefüllt. Also korrekt heißt es vor gefüllt. Wir arbeiten also Blutdruck senkend und Herz erleichternd. Das ist doch schon mal ein Grund die Peripherie zu trainieren. Allein darin liegt also schon ein sehr guter Effekt.
Und dann noch der positive Effekt für das zweite Herz. So heißen unsere Beinmuskeln. Sie helfen dem großen Herzen bei seiner Arbeit. Denk mal darüber nach! Wenn wir gehen, arbeiten unsere Beine im gleichen Rhythmus wie unser Herz. Mit sechzig bis achtzig Schritten in der Norm. Nun gut, auch mal mit 120. Aber dann arbeitet spätestens auch unser Herz schneller 🙂 Das nennen wir das zweite Herz. Es pumpt. Und so war es ja auch geplant. In der Urzeit saßen wir nicht den ganzen Tag herum. Wir waren ständig in Bewegung. So heißt es ja neuerdings „Sitzen ist das neue Rauchen“. Das ist nicht ohne Grund.
Patienten mit chronischer obstruktiver Lungendysfunktion (COPD, COLD) profitieren besonders
Durch Untersuchungen wissen wir, dass nicht nur Menschen mit einer Herzerkrankung besonders vom lokalen Muskeltraining profitieren[3]Relevance of assessing quadriceps endurance in patients with COPD … Continue reading. Untersucht wurden hier die Werte für die Ausdauer der Oberschenkelmuskulatur (M. Quadriceps). Er ist wichtig für eine ganz wesentliche Alltagsfunktion: Das Aufstehen und Hinsetzen. Bei Abnahme der Kraft im Muskel wird die Alltagsbewegung Aufstehen immer schwerer. Und die Folge: Immer mehr Pressatmung. Was der Lunge und auch dem Herzen gar nicht gut tut. Die Lungenbläschen (Alveolen) können die Luft nicht entlassen und immer mehr Bläschen kollabieren quasi. Am besten ist eine langsame und ruhige Ausatmung, damit alle Areale der Lunge gut entlüftet werden können. Da hilft auf jeden Fall ein starker Oberschenkelmuskel. Dann fällt uns diese Bewegung deutlich leichter.
Und noch ein schöner Effekt: Fett wird 60% schneller abgebaut
Im Muskel werden Kohlenhydrate und Fette als Energieträger verwendet und unter Sauerstoff zu Energie umgewandelt. Das machen unsere Energiekraftwerke im Muskel (Mitochondrien). Bei sehr hoher Belastung kann die Energiebereitstellung notfalls auch ohne Sauerstoff stattfinden. Dann entsteht aber Milchsäure. Die Energiekraftwerke erhöhen bei Training den Anteil der Verwertung von Fettsäuren um sagenhafte 60%[4]Medicine & Science in Sports & Exercise (BENTE KIENS) 29(5):640-645, MAY 1997. Ein unglaublicher Wert. Das zeigt die Wichtigkeit von Training auch und gerade für die Gewichtsreduktion. Und wer weniger wiegt, dessen Herz kann auch leichter arbeiten. Das ist einfache Physik. Doch der Effekt geht noch weiter: Wir können Energie einfach wesentlich effektiver dem Muskel bereitstellen. Lokales Ausdauertraining ist ein Booster für die Energiekraftwerke in Deinem Muskel.
Die Effekte reichen noch viel tiefer
Fast alle physiologischen Vorgänge werden positiv beeinflusst. Das geht soweit, dass Nerven besser arbeiten[5]Role of sensory nerves in the rapid cutaneous vasodilator response to local heating in young and older endurance‐trained and untrained men (Garry A. Tew, Markos Klonizakis, James … Continue reading. Bei der vorliegenden Untersuchung zeigten sensorische Nerven der Haut eine besseren Widerstand gegen Alterungsprozesse. Die Untersuchung zeigt nochmal sehr deutlich: Das lokale Ausdauertraining ist sehr effektiv. Und in diesem besonderen Fall noch Herz entlastend. Denn der periphere Widerstand der Hautdurchblutung wird gesenkt. Das verbessert auch die Thermoregulation. Noch ein Beispiel: Die biologisch aktivste Form des Testosterons ist DHT. Es wird vermehrt gebildet bei trainierten Skelettmuskeln[6]Endurance Exercise Training Enhances Local Sex Steroidogenesis in Skeletal Muscle (KATSUJI AIZAWA; MOTOYUKI IEMITSU; SEIJI MAEDA; NOBORU MESAKI; TAKASHI USHIDA; TAKAYUKI AKIMOTO) 01.11.2011. Dies ist wiederum für den Muskelaufbau nötig. Aber auch psychisch wirkt dieses Hormon. Es ist für unser „Belohnungssystem“ ein wichtiges Hormon. Und wer möchte sich nicht gern ein wenig belohnen?
Das lokale Ausdauertraining ist perfekt für Dein Training ohne Herzbelastung
Dein Herz- und Kreislauf wird bei diesem lokalen Training nicht belastet. Es ist so begrenzt auf eine Region, da reicht der normale Blutstrom aus, also, wenn Du gerade nicht mit Verdauen beschäftigt bist. Und dann musst Du auch noch Deine bewegten Eigengewichte mit in die Waagschale legen. Aber vor allem musst Du zwei Dinge im Auge behalten:
1. Idealerweise keine Lactatbildung
Das Herz nimmt Laktat aus dem Blut auf. Es reoxidiert es. Voraussetzung dafür ist allerdings eine ausreichende Sauerstoffversorgung über die Koronargefäße. Bei einer Vorbelastung des Herzens ist ein Training mit Laktaerhöhung also nicht sinnvoll.
2. Keine Druckerhöhung
Arbeitest Du gegen Widerstand oder ist der Widerstand zu hoch, dann fängst Du an zu pressen. Doch jede Druckerhöhung ist kontraproduktiv. Also mach es ohne! Stell Dir diesen Vergleich vor: Die Muskelaktivität soll wie Fahrrad fahren sein, doch Du fährst nicht berghoch. Also eine dauernde Bewegung. Du spürst dabei eine angenehme lokale Erwärmung.
Erhöhe Deine Lebensqualität
Das lokale Muskelausdauertraining hat bei Patienten mit mittelschwerer, chronischer Herzinsuffizienz positive Auswirkungen auf die Bewegungstoleranz und die gesundheitsbezogene Lebensqualität.
Dies ergab eine Studie [7]Improved quality of life inchronic heart failure patients following local endurance training with leg muscle (PT, MSc Raija Tyni-Lenné, PT, MSc Raija Tyni-Lenné, MD Allan … Continue reading. Und wir wissen es aus der Beobachtung in den Herzgruppen und in den Kliniken: Die Lebensqualität steigt, wenn man mit gleicher Energie mehr Leistung erbringen kann. Du kannst also durch gezieltes Üben und Trainieren Deine Lebensqualität erhöhen. Es ist nicht verwunderlich, warum so viele Menschen in Fitnesseinrichtungen gehen. Sie werden ja nicht gezwungen, sie wissen einfach um die wohltuende Wirkung!
Unterscheide die Muskelgrößen
Es gibt drei grundsätzliche Muskelgrößen. Natürlich ist das eine Vereinfachung. Aber es erleichtert Dir das Wichtige zu erkennen. Was Du zu beachten hast, erkläre ich Dir hier:
Kleine
Die Kleinen sitzen an den Enden Deiner Gliedmaßen, also Hand und Fuß. Sie bedienen die Endglieder. Sie neigen schnell dazu, die zu ihnen führenden Blutgefäße zu verschließen. Früher, als wir noch mit dem Füllfederhalter schreiben mussten, da wusste fast jedes Kind, wie schnell der Arm müde wurde. Um keine Druckerhöhung im Gefäßsystem zu bekommen, arbeite hier mit vorsichtiger Dosierung. Ich mache diese Muskeln gern am Anfang, dann erhöht sich sogar der Blutstrom und der Druck für das Herz sinkt. Übungen in der Peripherie können sehr schön mit Räkel-, Streck- und Gähnbewegungen kombiniert werden.
Mittelgroße
Sie bedienen Ellenbogen und Knie. Klar, die am Knie sind eigentlich stärker als die an der Schulter, aber ich sehe das nach dem Prinzip der Proportion der Extremitäten. Das ist physiologisch auf jeden Fall so. Diese Muskeln sind eigentlich die Klassiker für das lokale aerobe Training. Ich baue sie in den Mittelteil meiner Übungsreihe.
Große
Das sind die großen Beweger. Sie kann ich auch lokal ausdauernd trainieren. Aber in der Praxis hat sich heraus gestellt, das sie sich schon mehr allgemein aktivieren. Vor allem bei einem Ungeübten. Hier bietet sich dann eher an im Intervall oder in der Wechselmethode zu arbeiten. Gerade in wirklich niedrig belastbaren Gruppen hat sich dies als immenser Sicherheitsvorteil herausgestellt.
Doch egal, wie groß die Muskelgruppe ist, wir können gut einschätzen, wie hoch die Belastung ist. Im Gegensatz zu allgemeinen Ausdauer (wie zum Beispiel beim Fahrradfahren oder Gehen) können wir genauer überprüfen, wieviel Leistung wir dem Muskel abverlangen[8]ImRatings of perceived exertion (RPE) as an index of aerobic endurance during local and general exercises MURIELLE GARCIN,JEAN-FRANCOIS VAUTIER,HENRY VANDEWALLE &HUGUES MONOD Pages … Continue reading. Das ist ein großer Vorteil bei Deinem Training. Die lokale Muskelausdauer ist leichter zu dosieren.
Welchen Nachteil hat das lokales Ausdauertraining?
Nun, Du wirst wahrscheinlich gemerkt haben, Du musst für einen Effekt ja irgendwie den ganzen Körper beüben. Und dann rechne mal die Zeit. Doch das scheint nur so. Ich mache es Dir vor. Hände öffnen schließen, dazu räkeln recken und strecken, gähnen nicht vergessen. Dann Füße bewegen… Du siehst an diesem Anfang, wir müssen es nur konsequent aufbauen, strukturieren und dann systematisch alle Muskelgruppen in der richtigen Dosierung ausreichend lange bewegen. Bei den mittelgroßen Muskelgruppen liegt dann der Schwerpunkt. Wenn wir beim Üben langsam Richtung Zentrum vordringen, gehen wir in die Wechseltechnik über, das ist praktischer. Doch wir können auch die Hüft- oder Rumpfmuskeln lokal arbeiten lassen. Achte nur darauf nicht zu viele einzusetzen!
Also, der scheinbare Nachteil ist gar keiner. Wir kommen bei guter Strukturierung mit 20 bis 30 Minuten täglichen Einsatzes durchaus zurecht. Du kannst aber auch zwei Einheiten machen. Dann aber lieber eine andere Dynamik wählen. Ich wechsle dann gern zur Koordination. Denn Koordination ist ja der zweite große Schlüssel, um bei gleichem Spriteinsatz mehr Power zu haben. Verstehst Du den Vergleich?
Trainiere periphere Ausdauer und die Koordination, und Du entlastest Dein Herz!
Ich wechsle auch deshalb zur Koordination, weil ein bereits ermüdeter Muskel keinen neuen Belastungsreiz mehr braucht. Und Koordination ist einfach auch schön. Und dann noch ein kleiner schöner Nebeneffekt des lokalen Ausdauertrainings: Wir bekommen im Nachzug auch mehr Kraft. Aber bitte, hier nochmal für Alle der Hinweis: Es gibt keine Kraftausdauer. Völliger Blödsinn, möchte nur wissen, wer das mal erfunden hat. Es gibt Kraft und es gibt Ausdauer. Irgendwo ist ein Grenzbereich. Aber den trainieren wir nicht. Wir trainieren lieber gezielt. Vor allem wenn es um exakte Dosierung geht. Also kombiniere in Deinen Trainingsabläufen diese im Wechsel! Und dann noch ein kleiner didaktischer Hinweis. Korrekterweise sprechen wir bei Leistungen bis 50 Watt (auf dem Ergometer) von Übung und nicht von Training.
Hinweis: Übe nie ohne fachmedizinische Untersuchung, wenn Du eine Erkrankung zum Beispiel des Herzens hast. Immerhin haben wir in Europa wirklich tolle medizinische Einrichtungen. Und dann übe am Anfang mit Physiotherapeuten, die eine fachliche Weiterbildung im Bereich Herz- und Gefäßerkranken haben.
References
Schreibe einen Kommentar