CCD-Winkel

CCD-Winkel: Damit die Muskeln effektiver das Bein bewegen

Die besondere Form des Oberschenkels

Der Oberschenkel hat einen langen Schaft der oben abknickt: Der CCD-Winkel verändert die Ausrichtung um 126° nach innen. Der wichtigste Grund ist eine Vergrößerung des Abstandes zwischen dem Hüftkopf und den Muskelansatzflächen. Die Muskeln setzen am großen und kleinem Rollhügel sowie am Schaft und weiter unten an. Die Rollhügel und der Schaft werden durch den Hals vom Hüftkopf entfernt. Damit liegen sie weit entfernt vom Drehpunkt des Hüftgelenkes im Hüftkopf.

Der Oberschenkelknochen

CCD-Winkel

Der Begriff CCD-Winkel setzt sich aus Caput (Kopf), Collum (Hals) und Diaphyse (Schaft) des Oberschenkel (Femurs) zusammen. In der Norm hat der Winkel 126°.

Der Grund für die Form

Die Entfernung vom Drehpunkt erhöht die Hebelkraft des Muskels. Das bekannteste Beispiel am menschlichen Körper ist die Kniescheibe. Ohne sie könnten wir gar nicht aufstehen, der Muskel wäre zu schwach. Wir selber können die Hebelwirkung gut feststellen, wenn wir eine Wasserflasche nah am Körper und dann mal weit entfernt halten. Je weiter sie vom Körper weg ist, desto mehr müssen die Muskeln halten. Das kann man gut spüren.

Der Lastarm ist lang

CCD-Winkel: Damit die Muskeln effektiver das Bein bewegen 1
Lastarm und Kraftarm im Modell

Je größer der Abstand vom Drehpunkt, desto effektiver wirken die Kräfte des Muskels. Da das Bein sehr lang ist und die Muskeln effektiv arbeiten sollen, benötigen sie also eine entsprechende Verlängerung vom Drehpunkt. Am Schultergelenk sind die Knochenauswüchse sehr viel kleiner.

Muskeln müssen trotzdem extrem stark sein

Der Rollhügel hat den medizinischen Namen Trochanter von griechisch Τροχος Trochos = Rad (Rolle). Es ist ein massiver Knochenauszug.

Eine Sehne klebt nicht am flachen Knochen. Biomechanisch könnten so keine Kräfte übertragen werden. Und die einwirkenden Kräfte auf den Oberschenkelknochen sind wirklich massiv. Je größer der Auszug und je punktueller, desto massiver sind die Kräfte. Am Oberschenkel, lat. Os femur, haben wir die größten Auszüge des menschlichen Skeletts. Die Tuberkel und Rauhigkeiten (Tuberositas) des Femurs bieten Ansätze für wirklich sehr kräftige Muskeln.

Von diesen Tuberkeln haben wir am oberen Oberschenkel zwei: Einen großen Trochanter major und einen kleinen Trochanter minor. Dort setzen Muskeln an und die Knochen werden quasi „heraus gezogen“. Der Trochanter minor ist Ansatz für den Hüftbeugemuskel. Am Trochanter major setzen die Abspreizmuskeln an. Abspreizen ist im Alltag nicht so primär und dafür brauchen wir auch nicht unbedingt diese massive Kraft. Aber wir benötigen die Kraft bei Anheben des anderen Beines, damit das Becken auf der Seite nicht absinkt.

Femur proximal mit Trochanter major und minor
Femur proximal mit Trochanter major und minor

Der CCD-Winkel ist altersabhängig

CCD-Winkel: Damit die Muskeln effektiver das Bein bewegen 2
CCD-Winkel von vorn

Der normale Winkel ist 126°. Sind wir jünger, dann ist er größer. Im Alter nimmt er ab. Das führt dazu, daß die Muskeln nicht mehr in ihrer normalen Länge arbeiten können. Die innere Knochenbälkchenstruktur verändert sich leider auch, was zusammen mit dem „härteren“ Winkel bei einem seitlichen Aufprall auf den Rollhügel viel schneller zu einer Schenkelhalsfraktur führt.

Erst beim Anklicken wird eine Datenverbindung zu YouTube aufgebaut

Messung des CCD – Winkels

Der CCD-Winkel kann in einem Röntgenbild bei Beachtung der exakten Ebene beurteilt werden. Im klinischen Bereich wird dafür eine Beckenübersichtsaufnahme erstellt. Die Aufnahme erfolgt ap von anterior (vorn=a) nach posterior (hinten=p). Dabei ist die Körperebene als auch die Beinachse zu berücksichtigen.

Eine erfahrene Therapeutin kann die Winkel durch einen Bewegungs- und Tastbefund erstellen. Dies wird in der programmierten Untersuchung des Bewegungsapparates erlernt. Allerdings benötigt die Praktikerin genügend Erfahrung.

Weitere Rotation

Der Oberschenkel macht zusätzlich noch eine Eigendrehung um seine eigene Achse in seiner Längsrichtung. Diese Antetorsion beträgt in der Regel 11°. Der Winkel muss bei der Berechnung des CCD-Winkel berücksichtigt werden.

Einteilung und Fachsprache

In der medizinischen Fachsprache spricht man bei einem CCD-Winkel über 130-135° von Coxa valga (valgus = schief), bei < 120° von Coxa vara (varisch=auswärtsgebogen). Die Einteilung nach der ICD 11 (Internationale Klassifikation der Krankheiten) gültig seit 01.01.2022:
  • FA31.0 Valgusdeformität, anderenorts nicht klassifiziert Coxa valga
  • FA31.1 Varusdeformität, anderenorts nicht klassifiziert Coxa vara
  • LB74.3 Angeborene Coxa vara
  • LB74.4 Angeborene Coxa valga

Seitliche Zuggurtung

CCD-Winkel: Damit die Muskeln effektiver das Bein bewegen 3
Die Zuggurtung des Tractus iliotibilais verläuft vom Becken zum Unterschenkel und überspannt den Trochanter major

Der große Trochanter ist seitlich gut zu spüren. An diesem setzten die Abspreizmuskeln an. Über den Rollhügel zieht das große Band der Zuggurtung vom Unterschenkel zum Becken. Das ist ein großes flaches Band. Dieser Traktus Iliotibialis spannt und unterstützt so die Muskeln beim Einbeinstand. Der kleine Rollhügel für den Hüftbeugemuskel ist nicht so prominent auf der Innenseite des Oberschenkels (Os Femur).

Sekundärer Vorteil der besonderen Form des Oberschenkels

Die L-Form des Oberschenkels hat noch einen zweiten großen Vorteil. Sie ermöglicht einen hohen Freiheitsgrad für das knöcherne Gelenk. Im Gegensatz zur Schulter ist die Pfanne beim Hüftgelenk relativ groß und umschließt so einen Teil des Kopfes ganz gut. Bei einem geraden Oberschenkel würde dies den Freiheitsgrad (Bewegungsfähigkeit) einschränken. Der von seitlich eingeführte Kopf ermöglich im Alltag große und weite Bewegungen bei guter Knochenführung.

Folgen der Veränderung des CCD-Winkel

Eine Veränderung des CCD-Winkel ist eigentlich überhaupt noch gar nicht so schlimm. Aber selbst Medizinerinnen identifizieren dies als Problem. In der Praxis zeigt sich eine deutlich komplexere Problematik.

Der Knochenbau verändert sich im ganzen Körper

Unser Knochenbau verändert sich im ganzen Körper. Dies ist an vielen Körperstellen zu erkennen (Kopf, Rumpf, Becken). Es ist demnach ein gesamter Blick auf die Strukturen sinnvoll. Zum einen ist eine Beurteilung der Längen, Breiten und Tiefen sowie der Knochenrotationen elementar. Diese unterliegen bedingt den funktionellen Belastungen, die wir im Alltag erfahren (Beruf, Alltag). Weit größer sind die Auswirkungen auf die Weite und Offenheit der verschiedenen Faszien (Kapsel, Bänder, Gelenke, Muskeln). Hier kann es zu größeren funktionellen Einschränkungen kommen. Diese in Verbindung mit einer Veränderung des CCD-Winkel führen zu weiterführenden Problemen, wie zum Beispiel einer Schleimbeutelentzündung am großen Rollhügel oder einem Piriformis-Syndrom.

Funktionsdefizite machen das Problem

Den funktionellen Zusammenhang kann man deutlich spüren. Der große Rollhügel ist bei gut gestreckter Hüfte vorn, bei einer Hüftbeugeeinschränkung viel weiter hinten. Die funktionelle Beurteilung und Befundung ist also elementar bei einer Veränderung des CCD-Winkel und weiterführenden Problemen.

Behandlung und Therapie bei Veränderungen des CCD-Winkel
Behandlung und Therapie bei Veränderungen des CCD-Winkel

Die gute Nachricht

Eine Behandlung ist wirklich zielführend. Zum einen können die belasteten Strukturen gezielt behandelt werden und die funktionellen Defizite sind durch verschiedene Techniken/Übungen sehr gut zu therapieren.


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert