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Schlagwort: Coccygodynie

  • Steissbeinschmerzen: Dehnen oder Entspannen?

    Steissbeinschmerzen: Dehnen oder Entspannen?

    Bei Steißbeinschmerzen (Coccygodynie) gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten. Einen ganzen Artikel dazu findest Du hier. Zwei typische Therapien sind die Muskel-Energie-Technik oder die des statischen Dehnens des M. Piriformis und des M. Iliopsoas. Der M. Piriformis „sitzt“ im Gesäß und kann den N. Ischiadicus beeinträchtigen. Der M. Iliopsoas ist der Hauptmuskel für die Hüftbeugung. Er zieht mit seinem „langen“ Anteil von der Wirbelsäule und kann die Funktion dort massiv beschränken.

    Eine neue Studie verglich kürzlich beide Techniken[1]Wajeeha Zia, Muhammad Salman Bashir, Muhammad Umer Arshad, Amna Shahid: Effects of muscle energy technique and static stretching of piriformis and iliopsoas in females with coccydynia. Journal of … Continue reading.

    Muskel-energie-technik

    Die Muskel-Energie-Technik (MET) ist eine Form der osteopathischen manipulativen Medizin. Sie wurde von Fred Mitchell, Sr, 1948 entwickelt. Er war osteopathischer Arzt.

    Die Mobilisierung von Gelenken kombiniert die isometrische Anspannung von Muskeln mit anschließender Bewegungserweiterung. Bei der Isometrie wird in Bewegungsrichtung des Muskels dreidimensional gegen einen minimal dosierten Widerstand für eine bestimmte Zeit ermüdet. Die Exaktheit und Dosierung sind entscheidend für den Erfolg.

    • Isolierung des Zielgelenkes/der Zielgelenke bei zweigelenkigen Muskeln und/oder einer spezifischen Muskelbarriere
    • Gezielter dreidimensionaler Widerstand mit klarem Ziel der Bewegung von der Einschränkung in die freie Bewegungsrichtung mit „angenehmen Widerstand“
    • Lösung der isometrischen Spannung
    • Passive Bewegung in Richtung der Barriere in der postisometrischen Phase
    • Wiederholung bis zum gewünschten/möglichen Bewegungsumfang und/oder Schmerzreduktion

    Das löst verspannte Muskeln und Faszien. Die Durchblutung und der Lymphfluss werden angeregt. Schmerzen werden gelindert. Die Funktion des Bewegungsapparates wird normalisiert.

    Es ist eine „aktive“ Technik und nimmt damit eine Sonderrolle in der Osteopathie ein. Diese Technik ist kontraindiziert bei Personen mit schlechtem Energiezustand, Frakturen, erheblichen Gelenkerkrankungen oder kürzlich erfolgten Operationen.

    Statisches Dehnen

    Beim statischen Dehnen die Dehnposition langsam eingenommen und über mehrere Sekunden (bis Minuten) beibehalten. Auch diese Methode kann sowohl aktiv als auch passiv erfolgen. Der Vorteil des statischen Dehnens ist die meistens gute Kontrolle der Stellung.

    Studie

    Zweiundfünfzig Teilnehmerinnen wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt

    • 26 Muskel-Energie-Technik
    • 26 Statisches Stretching

    Beide Gruppen erhielten 10 Sitzungen in zwei Wochen.

    Ergebniss

    Die Muskel-Energie-Technik ist im Vergleich zur statischen Dehnungsmethode effektiver.

    • Reduzierung von Schmerzen auf der numerischen Skala von 0 bis 10: Dehnung 6.84 zu Muskel-Energie-Technik 4.48 und auch bei der zweiten Skala (Modified Dallas Pain Questionnaire) ähnlich
    • Steigerung Sitzdauer Dehnung 49.68 zu Muskel-Energie-Technik 87.04

    Hinweis

    Physiotherapeutinnen wenden in der Praxis grundsätzlich keine statische Dehnung als Einzelanwendung für eine solche Fragestellung an. Eine statische Dehnung wird von Fachfrauen und -männern immer eingeleitet und durch weitere Techniken (zum Beispiel tiefe Querfriktion) begleitet.

    References

    References
    1 Wajeeha Zia, Muhammad Salman Bashir, Muhammad Umer Arshad, Amna Shahid: Effects of muscle energy technique and static stretching of piriformis and iliopsoas in females with coccydynia. Journal of Xi’an Shiyou University, Natural Science Edition VOLUME 19 ISSUE 01 JANUARY 2023 642-647
  • Schmerzen am Steissbein: Coccygodynie

    Schmerzen am Steissbein: Coccygodynie

    Chronische Schmerzen des Steißbeins können viele Ursachen haben. Dabei sind Einige schwieriger in der Therapie als Andere. Entsprechend der Ursachen gibt es eine Reihe von Therapien.

    Das Steißbein (Os Coccygeus) ist ein Knochen unterhalb des Kreuzbeines (Os Sacrum). Das Kreuzbein und das Steißbein sind verknöcherte Wirbel. Sie verlängern also die Wirbelsäule nach unten. Früher hatten die einzelnen Steißbeinwirbel auch noch die Aufgabe den Schwanz zu bilden. Entsprechend gibt es auch noch Muskeln und Bänder zum Bewegen des Steißbeines. Diese Muskeln haben heute keine Funktion, spielen aber bei der energetischen Arbeit im Wurzelenergiezentrum (Muladhara-Chakra) eine wichtige Rolle.

    Lateinisch heißen die chronischen Schmerzen am Steißbein Coccygodynie. Sie treten im Bereich der nervalen Versorgung des sacralen Nervengeflechtes (Plexus pundendus) auf.

    Schmerzen am Steissbein: Coccygodynie 1
    Hauptbahnen des Nervus Pudendus bei der Frau (vereinfachte schematische Darstellung)

    Der Unterabschnitt des Lenden-Kreuz-Geflechts (Sacral 1–4)wird auch als Plexus pudendus bezeichnet. Der Nerv verläuft in der Beckenhöhle nach vorne unten in Richtung Beckenboden und durch das große Beckenloch (Foramen infrapiriforme) in den Schambereich(Canalis pudendalis/Alcock-Kanal). Er steuert motorisch und vermittelt sensible Sinneseindrücke.

    Die meisten Betroffenen klagen über Schmerzen beim Sitzen, beim Stuhlgang und/oder beim Geschlechtsverkehr. Es sind meistens Frauen betroffen (80%).

    Ursachen

    Typische

    Die klassischen, typischen Ursachen für Schmerzen am Steißbein sind:

    • Schlecht verheilte Verletzungen
    • Frakturen
    • Angeborene Fehlbildungen
    • Basale Bandscheibenvorfälle
    • Tumore
    • Mechanische Überlastung (nach Geburten oder Unfällen)
    • Chronische Verstopfung
    • Erkrankungen der Ansatzsehnen der Muskeln des Beckenbodens oder der Beckenorgane

    Bei Schmerzen mehr aus dem Gesäß sollte man an Überbelastungen durch Sportarten mit Trittbewegungen wie Fußball denken. Der Muskel Obturator internus kann bei solchen Belastungen anschwellen.

    Adipositas ist ein Risikofaktor und so sind mehr übergewichtige Menschen betroffen.

    Ohne erkennbaren Grund

    Häufig ist aber keine nachweisbare Ursache vorhanden. Dann werden die Beschwerden als idiopathisch bezeichnet. Erfahrungsgemäß wurden alte Verletzungen, Überbelastungen und sogar auch Frakturen häufig nicht bewusst wahrgenommen. Und noch ein weiterer, tiefer liegender Faktor spielt hier eine Rolle. Es sind die Erkenntnisse aus der Erforschung des chronischen Beckenschmerzsyndroms (CBSS):

    Beckenschmerzsyndrom

    In den letzten Jahren wurden auch vermehrt tiefer liegende Zusammenhänge hergestellt[1]Mag. Heidi Halbedl: Mindfulness-based Bodyscan-Training in der Beckenboden-Physiotherapie bei provozierter Vulvodynie. Eine Machbarkeitsstudie 2022.

    • Beckenboden
    • Muskeln vor allem der Beckeninnenseite
      • M. obturator internus
      • M. Piriformis
      • M. Iliopsoas
    • Beckenorgane
    • Beckenknochen
    • Geschlechtsorgane

    Dabei spielt das Verstehen von Chronifizierungen eine wichtige Rolle. Diese sind gekennzeichnet durch eine gesteigerte Sensibilisierung. Ein schmerzfreier Stimulus wird dann als schmerzhaft wahrgenommen und es treten noch weitere Folgen auf:

    • Ausweitung des Schmerzgebietes
    • Längere Schmerzwahrnehmung
    • Auftreten von spontanen Schmerzen

    Zur besseren Verständlichkeit ist es daher wichtig, die Schmerzverarbeitung besser zu verstehen. Ein Schmerzempfinden ist nicht nur eine senso­rische Wahrnehmung. Ein wichtiger Faktor sind die emotionalen Verarbeitungszentren. Schon negative Gedanken beeinflussen den Schmerz. Es genügt schon ein ängstlicher Gedanke, um Schmerzen hervorzurufen. Verhaltensmuster mit emotionalen Schwierigkeiten können sehr tief eingreifen.

    Diagnose

    Die klinische Diagnose enthält eine Reihe von Untersuchungen:

    • Fragebefund
    • Palpation
    • Manuelle Untersuchung
      • rectal
      • gynäkologisch
    • Muskeltestverfahren
    • Bewegungstest Becken/LWS/Bein
    • Röntgen / Computertomographie / Kernspintomographie

    Therapie

    • Örtliche Infiltrationen
      • Kortikoide
      • Lokalanästhetika
    • Schmerzmittel in Tablettenform
    • Versorgung mit Sitzring
    • Physiotherapie
    • Psychotherapie
    • Letztes Mittel: Operative Entfernung des Steißbeins.

    Ich persönlich arbeite vorwiegend mit der craniosacralen Therapie und insbesondere dem Einsatz des somatoemotionalen Releases. Dies immer auf Basis einer exakten Befunderhebung.

    Es zeigt sich, dass sich der Einsatz komplementärmedizinischer Verfahren bei vielen Klientinnen zu guten Ergebnissen führt. Es sind Disziplinen und Methoden, welche auf alternativen Modellen der Entstehung von Krankheiten und deren Behandlung. Sie stehen in Ergänzung zur Schulmedizin.

    References

    References
    1 Mag. Heidi Halbedl: Mindfulness-based Bodyscan-Training in der Beckenboden-Physiotherapie bei provozierter Vulvodynie. Eine Machbarkeitsstudie 2022